Gedanken von Pater Sebastian Painadath zum Thema des Osterpfarrbriefes 2023

Wenn man einen Vogel in einen Käfig sperrt, wird der Vogel sehr unruhig; er versucht trotz der Gitter hinaus zu fliegen. Er spürt, dass er für die Freiheit des Himmels geschaffen ist und versucht in die Weite aufzubrechen.

Dies wird oft als Symbol des menschlichen Seins dargestellt. In jedem Akt der Kreativität des Menschen ist ein Drang nach Unendlichkeit spürbar. Der Mensch ist laufend auf der Suche nach unendlicher Wahrheit und Schönheit, nach unbegrenzter Güte und Liebe, nach „Fülle des Lebens.“ Da das Wort Gott aus Güte kommt, ist es im Letzten eine Sehnsucht nach Einswerden im Göttlichen. Augustinus hat es treffend formuliert: „Du hast uns auf dich hin geschaffen; unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir.

Das Wort Fülle taucht oft auf im Neuen Testament. Im Johannesprolog wird im Bezug auf die Fleischwerdung des Logos gesagt: „Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, Gnade über Gnade“ (Joh 1,16). Darum sagt Paulus: „In Christus lebt die ganze Fülle des göttlichen Lebens“ (Kol 2,9). Und wir sind eingeladen „mehr und mehr von der ganzen Fülle Gottes erfüllt“ zu werden (Eph 3,19). Das Wort pleroma (= Fülle) kommt vom Verb πληρóω, was bedeutet: anfüllen, ausfüllen, erfüllen...

Wir Christen haben durch Christus den Zugang zur Fülle des Lebens erfahren; Andere haben andere Heilssymbol, durch die sie den Zugang zum göttlichen Leben finden; und wir respektieren sie, denn „andere nähren sich aus anderen Quellen“ (P. Franziskus, Fratelli Tutti, 277). Die Fleischwerdung Gottes in Jesus Christus ist nicht das Herabsteigen Gottes aus einer anderen Welt, sondern das Heraustreten der in uns schlummernden göttlichen Gegenwart. An Jesus erkennen wir, dass wir alle zu einem göttlichen Bewusstsein berufene Wesen sind. Paulus sagt, dass wir durch Christus begreifen, was wir eigentlich sind: „Töchter und Söhne Gottes“, „Erben Gottes und Miterben Christi“ (Röm 8,15-17). Kirchenväter wie Athanasios und Cyrill, Augustinus und Gregor von Nyssa waren sich einig: „Gott ist Mensch geworden, damit wir göttlich werden können.“ Wir sind berufen, die in uns verborgene Göttlichkeit wachzurufen, in das Göttliche einzuschwingen, zum Heilsbewusstsein zu erwachen, dass wir göttlich sind (theosis). Dies ist wahre „Fülle des Lebens.“

All das lädt uns ein das Mystische in uns wachzurufen. Mystik ist die Tiefendimension der Spiritualität. Das Mystische wird aufgeweckt in kontemplativer Stille. Eine regelmäßige stille Zeit morgens, um die göttliche Gegenwart in uns und um uns wahrzunehmen, belebt das Mystische in uns. Der Alltag bekommt dadurch eine neue geistige Qualität. Man lebt viel bewusster in der Gegenwart. Fülle des Lebens ist die göttliche Tiefe der Gegenwärtigkeit.

P. Sebastian Painadath SJ

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