Liebe Mitchristen,

vor 30 Jahren hätte ich nie im Leben gedacht, dass ich hier einmal die traurige Aufgabe – aber
irgendwie auch die Ehre – habe, in einem Gedenkgd für Hugo die Predigt zu halten.
Vor mehr als 30 Jahren saß ich als Theologie-Studentin hier in der Kirche und lauschte sehr
aufmerksam und berührt den damals monatlichen Predigten von Hugo. Damals war ich Mitglied bei
der KJG. Die KJG hat ein Emblem, bei dem sich ein Pfeil mit mehreren Windungen um einen Punkt
dreht und dann nach oben zeigt. Dieses KJG -Emblem hat offiziell den Namen „Seelenbohrer“ –
und so habe ich Hugos Predigten empfunden.
Sie treffen in die Mitte, in die Seele, gehen einen persönlich an – im eigenen Menschsein, Glauben,
in wesentlichen Fragen, spiritueller Suche und Sehnsucht.
Diese Faszination für Hugos Art und Weise zu predigen hat nie aufgehört.
Wenn ich jemanden über Hugo erzählt habe, dann auf jeden Fall so, dass er in meinen Augen der
beste Prediger ist, den ich kenne. Er hatte die besondere Gabe, Situationen, Begegnungen seines
Lebens, Filme, Literatur, Kunst... mit den biblischen Texten, der Botschaft Jesu in Verbindung zu
bringen. Selbst hat er sich in einem Interview bezeichnet als ein „Mensch der Worte, Erzählungen
und Geschichten“. Gewürzt war dies immer mit feinsinnigem Humor und geprägt von
bodenständiger Menschlichkeit.
Er eröffnete immer wieder neue Blicke auf das Evangelium, darauf, was es heißt zu glauben, was
der Glaube an den „barmherzigen, liebenden Gott“, für mich ganz persönlich bedeutet. Unermüdlich,
hoffnungsvoll, überzeugend sprach er von der Liebe und Barmherzigkeit Gottes.

Jede und jeder von Ihnen hat auf eigene Weise „etwas“ von Hugo mitgenommen, von seinen
Gottesdiensten, seinen Predigten, seiner Art und Weise. Manchen waren auch gemeinsame Reisen
mit ihm und lange währende Freundschaften geschenkt.
All das, was er uns als Einzelne und als Pfarrgemeinden gegeben hat, können wir nur mit großer
Dankbarkeit in unserer Erinnerung als Geschenk bewahren.

In den letzten Tagen habe ich einiges über Hugo gelesen oder auch im Internet gesehen:
Traueranzeigen, der aufgezeichnete Trauergottesdienst am Do in Winterthur, sein letzter
Gottesdienst / Predigt, den er Anfang Mai gehalten hat, Interviews mit ihm. Ich möchte jetzt einfach
ein wenig daraus zitieren – um ihn auf diese Weise nochmals „da sein“ zu lassen.

Hugo war über 40 Jahre Priester, war Pädagoge und Religionslehrer, leitete 16 Jahre die Pfarrei in
Bülach und 22 Jahre in Winterthur, war dort Dekan. Er war einer, der leiten konnte und dies auch
gerne gemacht hat.
Viel mehr aber wurde er zum Begleiter vieler Menschen, in seinen Pfarreien, Gruppierungen und
auch in seinen 7 Studien-Jahren in München, das für ihn zu einer zweiten Heimat wurde.
Regelmäßig hatte er auch Kontakt mit einer Gruppe von Menschen mit Beeinträchtigung. Von
diesen Begegnungen erzählte er auch immer wieder in seinen Predigten hier.
Auf die Frage in einem Interview: „was hat Sie in ihrem Leben am meisten bewegt?“ antwortete er:
„Menschen. Ich habe die schöne Aufgabe, Leben zu würdigen an den verschiedenen
Kristallisationspunkten und kann die Würde des Lebens herausstellen. Geburt, Taufe, Hochzeit, die
Liebe, EKO, Trauerfeiern, Abschied von einem Menschen.
Das ist für mich die Mitte der Botschaft. Ich glaube an den absoluten Wert des einzelnen Menschen.
Die Kernaufgabe ist es, Menschen in Berührung zu bringen mit Gott, der Liebe ist.“
Er sah sich als „Begleiter von Biografien“, mit einer großen Treue für die Menschen, mit denen er
sich vertraut gemacht hat. Hier klingt nicht nur zufällig der „kleine Prinz“ an – es war seit Kindertagen
eine für ihn sehr wichtige, ja heilige Geschichte.

Als Priester, als Zelebrant stand er für die Kirche. Ich denke er hat auch hier bei uns glaubhaft
gezeigt, dass es sich lohnt, in der Kirche zu bleiben, trotz vieler Gründe, die es erschweren.
Angesichts klerikaler Machtstrukturen, Reformstau, Missbrauchsskandal und kirchlicher
Sexualmoral hat er gegenüber seinen Diözesan-Oberen Klartext gesprochen. Wo es nötig war,
leistete er Widerstand. Besonders setzte er sich für die Stärkung der Frau in der Kirche ein. Eine
kirchliche Schweizer Mitarbeiterin schrieb:
„Ich schätze dich sehr als Dekan und Pfarradministrator. Deine theologische und kirchliche Offenheit
und Weitsicht waren wohltuend in der Enge unserer Kirche und unseres Bistums. Du hast mich
immer unterstützt in meinem Tun. ... Du hast Geselligkeit geliebt. Eine Sitzung ohne Mittagessen
war nur eine halbe Sitzung.“
(„Kirche ist gefährdet, steht sich selbst im Weg“ und läuft immer wieder Gefahr, zu „einem religiösen
Supermarkt“ zu werden, sagte Hugo an anderer Stelle:
„Wenn wir als Kirche überleben wollen, dann müssen wir Menschen haben, die eine Mitgliedschaft
leben, weil sie unser Selbstverständnis teilen: dass wir nämlich eine Glaubensgemeinschaft sind,
die aus einer Botschaft lebt.“)
„Eine Welt ohne Gott ist triste“ – das war seine Überzeugung. Deshalb lag es ihm am Herzen, trotz
allem positive Kirchen- und Glaubenserfahrungen zu übermitteln.
„Ich glaube einfach, dass die Welt Schöpfung ist, dass der Schöpfer uns, jeden einzelnen Menschen
gerne hat, dass es uns guttut und wir die Botschaft brauchen. Die Welt wäre ärmer, wenn es diese
Botschaft nicht gäbe.“
Eigene Glaubenskrisen, die es auch gab, haben ihn sensibler werden lassen für die
Glaubensschwierigkeiten der anderen. Und dass es sich lohnt, durchzuhalten, nicht alles
aufzugeben, nicht alle Lebensentscheidungen sofort über den Haufen zu werfen.

Seit 4 Jahren lebte Hugo mit seiner schweren Krebserkrankung. Dennoch konnte er diese Jahre in
seinem Dienst als Priester und mit seiner Leidenschaft für Reisen gut verbringen, als Geschenk
sehen.
Dazu bemerkte Hugo in Interviews:
„Plötzlich lebe ich ganz gelassen, von Tag zu Tag, von Woche zu Woche“. Durch die Krankheit habe
er zu seiner eigenen Überraschung gelernt, Dinge zu nehmen, wie sie kommen, Schritt für Schritt
zu gehen.
„Meinen nächsten Schritt mache ich in der Gewissheit, dass bisher alle meine Lebensübergänge
gelungen sind“.
Seine Onkologin sagte zu seiner Freude: „Ich habe den Eindruck, Sie haben ein gutes Leben
gehabt. Sie haben nicht das Gefühl, sie müssten etwas nachholen“. Hugo: „Das stimmt. Ich bin noch
nie in Lissabon gewesen, habe aber ich nicht das Gefühl, dass mein Leben deswegen verpfuscht
ist. Ich habe nicht gedacht, jetzt nach der Pensionierung, beginne ich erst richtig zu leben. Es gibt
ein Leben vor der Pensionierung und das habe ich gelebt.“
Kurz vor seinem Tod konnte er sogar mit einer Gruppe die ersehnte Reise nach Portugal bzw.
Lissabon machen.

Anfang Mai hielt Hugo seinen letzten GD in seiner Kirche in Winterthur. Dieser Gottesdienst wurde
aufgezeichnet und ist im Internet anzusehen. An jenem Sonntag war das Evangelium dran, das ich
aus diesem Grund auch für diesen Gottesdienst ausgewählt habe, der bekannte Text, in dem Jesus
vom Haus mit den vielen Wohnungen gesprochen hat.
Hugos Predigt in diesem GD war sehr berührend, und was er darin sagte, klang wie ein Vermächtnis,
weil ihm Anfang Mai sicher bewusst war, dass seine verbleibende Lebenszeit sehr begrenzt ist.
Drei Gedanken daraus möchte ich weitergeben:

  • Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen – dies führte ihn zu der Frage: wo bin ich
    zuhause? Seine Antwort: Ich bin in mir zuhause, ich nehme mich überall hin mit, egal wo ich
    wohne, wohin ich verreise. Ich bin in mir zuhause, weil ich weiß: „Ja, ich darf sein.“ Ich bin
    unbedingt angenommen. Der Schöpfer sagt Ja zu mir, Er will mich, Er will uns persönlich.
  • So ist auch das “Haus des Vaters“ nicht ein riesiger „Konradshof“ – dort war Hugos letzte
    Wohnung, in der er sich sehr wohlfühlte.
    Nein, der Himmel ist der Ort bei Gott, wo wir unbedingt angenommen sind, wo ein Ja uns
    ermöglicht, bedingungslos da zu sein.
  • Und dann zitierte Hugo noch den Bericht einer Nahtoderfahrung eines anderen: „Ich weiß, es
    kann mir im letzten nichts Schlimmes passieren“ – und Hugo ergänzte von Jesaja die Worte:
    Weil Gott sagt: Ich habe dich beim Namen gerufen, weil du mir wert bist, und ich dich liebe.

Einige Wochen später, nach der Portugalreise ging es sehr schnell. Seinem früheren GV schrieb
Hugo noch kurz vor seinem Tod: „Bin im Frieden mit meinem Weg. Gott sei Dank“.
"Er durfte friedlich einschlafen, wie er es sich wohl gewünscht hatte; fast bis zuletzt bei klarem
Verstand und weitgehend selbständig." – so schrieb es der Ortspfarrer aus Winterthur.

Am Do, dem Fest Peter und Paul, dem Patronat seiner Kirche in Winterthur, fand dort der
Trauergottesdienst statt. Darin wurde gesagt:
Hugo war jemand, der auf die Suche ging, nach den Schätzen, die Gott schenkt, nach Gottes
Spuren im Menschen. Und wenn er etwas fand, bewahrte er es. In Menschen machte er die
Erfahrung von Jesu Gegenwart.

In der Lesung hörten wir von Abram, der von Gott aufgefordert wurde, in das Land zu gehen, das
er ihm zeigen wird. Abram bricht immer wieder auf, vergaß dabei nicht, wer ihn schickt: wo er war,
baute er einen Altar und rief den Namen des Herrn an.
Vielleicht können wir in Hugo einen Abrams – Menschen sehen: einen der immer wieder aufbrach,
zu Menschen, zu anderen Orten und Ländern. Einen, der mit Gott, in seinem Namen unterwegs
war.
Zu Abram sagte Gott: Ich werde dich segnen. Ein Segen sollst du sein.
Wenn ein Mensch kurz vor seinem Tod sagt, er ist mit seinem Leben zufrieden und in Frieden mit
seinem Weg und dafür Gott dankt – dann ist das ein Zeichen von gesegnet sein.
Dass Hugo ein Segen für viele Menschen war – darunter auch wir in Puchheim, das durften wir
selbst immer wieder dankbar erfahren.
Sein Pfarramts-Team schrieb in der Traueranzeige:
Er war mit uns unterwegs auf vielen Wegen und Reisen seines Lebens. In seinem Unterwegs-Sein
hat er viele Menschen teilhaben lassen. Er hat Spuren im Leben vieler Menschen hinterlassen.
Nun ist er aufgebrochen zu seiner letzten Reise, die er selber als Heimweg geglaubt hat. „Jetzt ist
alles gut!“ In dieser Zuversicht durfte er friedlich gehen.

Lied: „Meine Hoffnung und meine Freude“

Fürbitten – Gedenkgd Hugo 1.7.

Jesus sagt: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Er führt uns zu Gott, auf den wir vertrauen
dürfen, in unserem Leben und über unser Leben hinaus. So bitten wir:

Wir bitten für Hugo Gehring: in seinem Leben hat er Menschen in Berührung gebracht mit Gott, der
Liebe ist.
Barmherziger Gott, lass Hugo nun deine Liebe von Angesicht zu Angesicht erfahren und nimm ihn
auf in deinen Himmel, in dem er unbedingt und bedingungslos geliebt ist.

Wir bitten für alle Menschen, die Hugo in seinem Leben begleitet und gestärkt hat, mit denen er
zusammen gearbeitet hat, mit denen er das Leben gefeiert und genossen hat.
Gott des Lebens, schenke du Trost in der Trauer und Vertrauen auf die Verheißung ewigen Lebens
bei dir.

Wir beten für alle Christen, die mit ihren Gaben, ihrer Kraft, ihrer Erfahrung sich einsetzen für die
Botschaft des Glaubens und für eine Kirche, die an der Seite der Menschen steht.

Wir beten für die Menschen, die sich immer wieder mit Offenheit und Vertrauen bemühen, unsere
Gesellschaft und unsere Kirche menschenwürdig zu gestalten.

Gott der Liebe, du bist bei uns alle Zeit. Du segnest uns und lässt uns zum Segen werden. Dafür
preisen wir dich und danken dir, heute und alle Tage. Amen.

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